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Traumberuf oder Feindbild?

Kaum ein Beruf ist so präsent in unserer Gesellschaft wie der des Polizisten und der Polizistin. Ob in den Nachrichten, in Krimis oder in Kinderbüchern … Es überrascht nicht, dass der Polizeidienst einer der beliebtesten Traumberufe sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen ist. Würden Berufswünsche immer wahr werden, wäre gut jeder fünfte Bundesbürger Polizist – oder Tierärztin.

Doch welches Bild hat die Öffentlichkeit von »ihrer« Polizei? Menschen helfen und für Ordnung sorgen, diese Aufgaben werden in Befragungen dem Beruf von Polizeibeamten zugeordnet. Dem entspricht das »Vorbild Polizei«: Die Vertrauenswerte in der Bevölkerung liegen seit Jahren stabil um/über 80 % – und damit noch vor dem Bundesverfassungsgericht.

Einige Kinder sitzen und stehen mit weiteren Besuchern auf dem Fußboden vor uniformierten Bereitschaftspolizisten. Einer der Polizisten mit Helm beugt sich zu einem Kind herunter und schüttelt dem lächelnden Jungen die Hand.
Polizisten und Besucher beim Tag der offenen Tür bei der Bereitschaftspolizei Dresden. (31. August 2019)  © Polizei Sachsen

Im Kontrast dazu steht das »Feindbild Polizei«, gepflegt vor allem von Links- wie Rechtsextremisten und religiösen Fundamentalisten – allerdings mit völlig unterschiedlicher Ausrichtung und Motivation.

Moderne Gesellschaften ermöglichen den Diskurs über staatliche Institutionen und Regeln. Dies gilt insbesondere für die Polizei als Träger des staatlichen Gewaltmonopols. Als Kontrollinstanz stehen Polizeiangehörige oft an der ersten Konfliktlinie zwischen individuellen und kollektiven Interessen. So hinterfragen Bürgerinnen und Bürger verstärkt polizeiliches Handeln. Vorbild zu sein heißt eben auch, mit hohen Erwartungen konfrontiert zu werden.

 

»Polizist*innen sind Menschen, die die Drecksarbeit einer Gesellschaft erledigen, irgendetwas zwischen sozialer Müllabfuhr und Elitetrupp der Macht, zwischen Helden des Alltags und ungeliebten Spielverderbern. … Polizist*innen sind, im Zweifelsfall, Herrscher über Leben und Tod oder entscheiden wenigstens zwischen Freiheit und Gefangenschaft. … Die Polizei repräsentiert den Zusammenhang von Staat und Gesellschaft und taucht paradoxerweise gerade dort auf, wo mit diesem Zusammenhang etwas nicht stimmt. … Die Anwesenheit von Polizei soll Ruhe und Ordnung garantieren, doch löst sie selbst bei durch und durch unschuldigen Menschen Unsicherheit und Unruhe aus. Kein Wunder also, dass Polizist*innen das Material für eine rege Fantasie- und Legendenbildung bieten.«

Georg Seeßlen: Cops, Bullen, Flics, Piedipiatti. Polizist*innen in der populären Kultur – Essay. Bundeszentrale für politische Bildung, by-nc-nd/3.0/de/Autor: Georg Seeßlen für Aus Politik und Zeitgeschichte/bpb.de, 17.05.2019

Ein gemaltes Bild zeigt einen Polizisten, der in einer Hängematte zwischen zwei Bäumen liegt. Daneben steht in Handschrift: »Ich wünsche mir, daß alle Menschen lieb und friedlich sind, damit die Polizisten immer Urlaub machen können«.
4. Platz des Malwettbewerbs »Die Polizei im Jahr 2000« (1996)  © Polizeihistorische Sammlung Sachsen

»Die Polizei hat den Bürgerinnen und Bürgern die Ausübung ihrer Grundrechte wie die freie Meinungsäußerung und das Versammlungsrecht zu garantieren«, meint Dr. Dirk Götting von der Polizeiakademie Niedersachsen, Leiter der Initiative »Polizeischutz für die Demokratie«.

Zudem sei Polizeischutz für die Demokratie immer auch Selbstschutz für die Polizei: »Im Gegensatz zum linken Populismus, bei dem Staat und Polizei eindeutig als Feind genannt und attackiert werden, versuchen rechte Populisten die Polizei in ihrem Sinne zu beeinflussen und zu instrumentalisieren. Sollten solche rechtspopulistischen Denkweisen Einzug in die Polizei finden und wir begegnen ihnen nicht wirksam, droht akute Gefahr für das gelehrte und gelebte berufliche Selbstverständnis sowie für das herausragende Vertrauensverhältnis zwischen Bevölkerung und Polizei.«

Rena Beeg: »Polizisten und Polizistinnen sind Botschafter der Demokratie« – Dr. Dirk Götting über die Bedeutung der Polizei für unsere Demokratie – Interview für die Gemeinnützige Hertie-Stiftung

In Deutschland liegt das Gewaltmonopol beim Staat. Der zentrale Akteur des staatlichen Gewaltmonopols ist die Polizei. Sie hat den Auftrag, öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Damit sie ihren Auftrag wahrnehmen kann, ist der Einsatz physischer Gewalt bei Notwendigkeit gesetzlich geregelt. Dabei muss die Polizei verhältnismäßig handeln, das heißt, es sind folgende Punkte gewissenhaft zu prüfen: legitimer Zweck, Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme sowie ihre Angemessenheit. So sind auch die psychologischen Eignungsauswahlverfahren der Polizei darauf ausgerichtet, Menschen mit einer erhöhten aggressiven Neigung und Gewaltlust auszuschließen.

Innerhalb der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung überprüfen die Staatsanwaltschaft und die Gerichte bei Straftatverdacht die Arbeit der Polizei strafrechtlich. Daneben findet bei entsprechenden Anzeigen u. a. über Disziplinarverfahren oder behördeninterne Polizeibeschwerdestellen eine interne Kontrolle statt. Die politischen Kontrollinstanzen sind Parlamente sowie die kritische Öffentlichkeit, insbesondere die Medien. Somit wird in Deutschland die Polizeiarbeit strafrechtlich, administrativ, politisch sowie durch die Öffentlichkeit kontrolliert.

»Die Polizei, Dein Freund und Helfer« – Publik macht den Spruch der preußische Innenminister Albert Grzesinski in der Weimarer Zeit. Später missbrauchen die Nationalsozialisten das Zitat. Das geflügelte Wort des »Freundes und Helfers« jedoch hält sich bis heute.

»Freund« verbietet sich allerdings offiziell: So dürfen Polizeibedienstete zwar persönliche Sympathien hegen, müssen aber im Sinne der Neutralitätspflicht nach Recht und Gesetz handeln: »Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen.«

§ 33 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) – Grundpflichten

Eine Kinderzeichnung zeigt in der Mitte ein Polizeiauto mit Blaulicht, daneben ein lächelndes Strichmännchen mit Polizeimütze. Eine lachende Sonne scheint, geschrieben steht in unterschiedlichen Farben: »POLIZEI«, »110«, »DANKE«.
Dank eines Mädchens nach dem Besuch des Polizeireviers Dresden-Nord. (2021)  © Polizei Sachsen

»Helfer« nicht nur in der Not zu sein, ist natürlich Pflicht – und selbstverständlich! Schließlich bezieht sich die Wahrung der »öffentlichen Sicherheit« durch die Polizei auch auf den Schutz vor Gefahren für Leib, Leben und Eigentum der Bürgerinnen und Bürger: »Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr). Sie schützt die freiheitliche demokratische Grundordnung und gewährleistet die ungehinderte Ausübung der Grundrechte und der staatsbürgerlichen Rechte. Die Polizei hat im Rahmen dieser Aufgabe auch zu erwartende Straftaten zu verhindern und vorbeugend zu bekämpfen. Die Polizei hat ferner Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren abwehren zu können.«

§ 2 Abs. 1 Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPVDG) – Aufgaben der Polizei

Da sie Vereinfachung schaffen, bleiben bei Feindbildern tatsächliche Informationen außen vor oder werden umgedeutet. An die Stelle von komplexen Realitäten treten einfache Erklärungsmuster und Sinnstrukturen.

»Deutsche Polizisten – Mörder und Faschisten!«
»Im Linksextremismus existieren zwei zentrale Feindbilder, die maßgeblich mit dem Selbstverständnis als antifaschistisch, antikapitalistisch, antimilitaristisch und antirepressiv zusammenhängen – Rechtsextremisten und Polizisten, die gleichermaßen als Repräsentanten des kapitalistisch-autoritären Staates gelten.«

»Handlanger eines verräterischen Systems«
Einerseits taucht das »Freundbild Polizei« im Rechtsextremismus auf. Gelobt werden »die hierarchische Struktur, die Uniformierung und die Problemlösung durch Zwangsmittel«. Andererseits »hat das Feindbild Polizei im Rechtsextremismus insgesamt einen Bedeutungszuwachs erfahren. ... Hier wirft man dem ›System‹ nicht nur Verrat vor, sondern sieht sich mit diesem – als zu bekämpfende feindliche Macht – im Kriegszustand.«

»Verteidiger der Ungläubigen«
»Da die Vorstellung eines Gottesstaates im grundlegenden Widerspruch zu den elementaren demokratischen Werten steht, spielt auch die Polizei als der Garant einer solchen Ordnung in der Feindbildlogik von Islamisten eine tragende Rolle. ... Andererseits verengt sich die Gegnerschaft der Islamisten nicht auf das Hassobjekt Polizei, sondern der gesamte ›Westen‹ wird als zentraler Feind identifiziert.«

Aus Tom Thieme: »Bullenterror« – »Handlanger des Systems« – »Verteidiger der Ungläubigen«. In: Eberhard Kühne (Hg.): Die Zukunft der Polizeiarbeit – die Polizeiarbeit der Zukunft, Rothenburg/Oberlausitz, 2019 (Festschrift aus Anlass des 25. Jahrestages der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH). Teil I. – Rothenburger Beiträge; 100)

Das heutige »Bulle« für Polizist hat seinen Ursprung im 18. Jahrhundert – und war ein Kompliment! Damals werden die Gendarmen als »Bohler«, »Landbohwler« oder »Landpuller« bezeichnet. Ihren Ursprung haben die Begriffe im Wort »Bol« – niederländisch für »Kopf« oder »kluger Mensch«.

Die Abwandlung »Bulle« stammt wohl ursprünglich aus dem Rotwelschen, auch deutsche Gaunersprache genannt – und war mit Sicherheit nicht nur positiv belegt. Während der 1968er-Protestbewegungen etabliert sich dann die negative Bedeutung von »Bulle« endgültig.

1965 wird »Bulle« vom Amtsgericht Bonn erstmals als Beleidigung eingestuft – heute aber kaum mehr strafrechtlich verfolgt. »Scheiß Bulle« ist dagegen ganz sicher eine Beleidigung, die im Falle eines Strafantrags eine Strafe nach sich zieht. Kurz: Meistens kommt man mit Respekt und Höflichkeit besser durchs Leben!

 

Weiße Mäuse? Umgangssprachlich für Verkehrspolizistinnen und -polizisten! Sie trugen einst überwiegend weiße Uniformteile, ihre grünen Einsatzfahrzeuge hatten weiße Kotflügel und teilweise auch weiße Dächer.

In der DDR wurde eine »Weiße Maus« sogar zum Filmhelden – und zwar im vom DEFA-Studio produzierten Filmmusical »Geliebte weiße Maus« aus dem Jahr 1964. Hier stellt Rolf Herricht den Verkehrspolizisten Fritz Bachmann in Dresden dar.

Auf dem Schwarz-Weiß-Foto ist ein Mann mit weißer Uniform eines Verkehrspolizisten auf einem Podest an einer Kreuzung zu sehen. Im Hintergrund sind viele Passanten, links vor dem Mann ein vorbeifahrendes Auto.
Dreharbeiten zu »Geliebte weiße Maus«, Drehort ist der Körnerplatz in Dresden.  © Polizeihistorische Sammlung Sachsen

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Polizei zwischen den Extremen

Der häufige Kontakt zu Menschen in Extremsituationen ist eine Besonderheit des Polizeiberufes. Das führt zu überdurchschnittlich vielen Konflikten, bei denen Polizeiangehörige auch Gewalt erfahren. Und das nicht nur auf Demonstrationen oder Sportveranstaltungen. Es sind die alltäglichen Einsätze im Rahmen von häuslicher Gewalt, Streitigkeiten und anderen Störungen der öffentlichen Ordnung, bei denen es zu zahlreichen Verletzungen kommt. Neu ist die Gewalteskalation gegen Ordnungskräfte durch Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen.

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