Job oder Berufung?
Dürfen Polizistinnen und Polizisten tätowiert sein? Sollten sie über 1,60 Meter groß sein? Und schwimmen können? Ja, aber vor allem müssen sie für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten!
Der häufige Kontakt zu Menschen in Extremsituationen ist eine Besonderheit des Polizeiberufes. Das führt zu überdurchschnittlich vielen Konflikten, bei denen Polizeiangehörige auch Gewalt erfahren, körperlich wie seelisch. Und das nicht nur auf Demonstrationen oder Sportveranstaltungen. Es sind die alltäglichen Einsätze im Rahmen von häuslicher Gewalt, Streitigkeiten und anderen Störungen der öffentlichen Ordnung, bei denen es zu zahlreichen Verletzungen kommt. Neu ist die Gewalteskalation gegen Ordnungskräfte durch Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen.
Wenn die Mitte wegbleibt, dann steht nur noch die Polizei zwischen den Extremen.
Jörg Kubiessa, Leiter der Polizeidirektion Dresden
Dass auch Polizistinnen und Polizisten Menschen mit verwundbarer Psyche sind, ist in Deutschland noch ein recht junges Thema. Erst Mitte der Neunziger Jahre haben die Bundesländer damit begonnen, Hilfsangebote für Polizeibeamte zu organisieren.
Florian Gontek: Psychische Belastung in Mord- und Missbrauchsfällen. „Alles ungefiltert abzubekommen, das hält man nicht aus“ – Interview mit Polizeipsychologin Birgitta Sticher. In: Der Spiegel, 11.06.2020
Dass im Polizeiberuf hohe psychische Anforderungen herrschen, zeigt eine Sonderauswertung der Beschäftigtenbefragung zum »DGB-Index Gute Arbeit« für die Jahre 2012 bis 2016:
Untersuchungen belegen, dass im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung überproportional viele Polizistinnen und Polizisten z. B. an Schlafstörungen leiden.
»Es folgten in den kommenden Dienstjahren weitere Situationen, in denen ich mit Sterben und Tod konfrontiert war und andere damit konfrontieren musste. Fast immer durfte ich dabei einen ›Polizeipfarrer‹ an meiner Seite wissen. Und es war stets eine große emotionale Entlastung für mich, wenn er das Wort ergriff – warm, mitfühlend, tröstend, in den Arm nehmend und so gar nicht ›religiös‹.«
Susanne Heise: Die Landespolizeiseelsorge Sachsen. Eine empirische Untersuchung zu Entwicklung, Herausforderungen, Grenzen und Möglichkeiten der Polizeiseelsorge im Freistaat Sachsen, Masterarbeit Deutsche Hochschule der Polizei, Münster 2019
Polizeidienst heißt auch, die Auswirkung von Gewalttaten an anderen bzw. deren körperliche wie seelische Verletzung zu verkraften – vom Verkehrsunfall bis hin zu Totschlag oder Kindesmissbrauch. Zur Bewältigung dieser Belastungen gibt es innerhalb der sächsischen Polizei die psychosoziale Unterstützung: Dazu gehören beispielsweise Psychotherapeuten des Polizeipsychologischen Dienstes, evangelische und katholische Seelsorge oder das Einsatznachsorgeteam.
Aber nicht allein die Ausnahmesituationen, auch Arbeitsorganisation und Führungskultur beeinflussen die Arbeitsfähigkeit und Motivation der Polizeiangehörigen. Diese Einflussfaktoren zu kennen, heißt mit ihnen umgehen zu können.
Dürfen Polizistinnen und Polizisten tätowiert sein? Sollten sie über 1,60 Meter groß sein? Und schwimmen können? Ja, aber vor allem müssen sie für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten!