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Polizei mit Zukunft

Ein selbstgemaltes Kinderbild zeigt ein grünes Polizeiauto mit Düsen statt Rädern und einem Propeller im Weltall. Beschriftet ist das Fahrzeug mit »Weltallpolizei«. Auf dem Dach ist Blaulicht, am Steuer eine Person. Im Hintergrund sind Sterne und Mond.
»Weltallpolizei«: Die Zeichnung eines Mädchens von 1996.  © Polizeihistorische Sammlung Sachsen

Von der Dynamik des gesellschaftlichen Wandels bleibt die Polizei nicht unberührt – sowohl hinsichtlich ihrer Strategien als auch ihrer Organisation. Wie also macht sich die Polizei Sachsen »fit für die Zukunft«?

Auch Sachsen vollzieht eine Neuausrichtung seiner polizeilichen Maßnahmen – im Sinne erhöhter Sensibilität für das Tätigwerden, bevor etwas passiert. So räumt das neue Sächsische Polizeivollzugsdienstgesetz weitgehende Befugnisse bereits bei einer abstrakt als möglich angenommenen Straftat ein – nimmt dafür aber den Eingriff in Grundrechte schon im Vorfeld konkreter Gefahren in Kauf, so die Kritiker. Willkür verhindern jedoch hohe rechtliche Hürden oder strenge Datenschutzregeln.

Ein Polizist in blauer Uniform hält ein Smartphone in der Hand. Er tippt gerade einen Tweet. Darin wird auf den Twitter-Marathon der Polizei Sachsen hingewiesen.
Unter dem Hashtag #Polizei110 hat sich auch die Polizei Sachsen am 1. Oktober 2021 am bundesweiten Twitter-Marathon beteiligt.  © Polizei Sachsen

Ein Schlagwort mit enormem Potenzial für heute und morgen? Kommunikation! Nicht nur die dienstleistungsorientierte »Bürgerpolizei« verlangt kommunikative Kompetenz von Mensch zu Mensch. Transparenz und Dialog – nach innen wie außen – sind zentrale Positionen der Kommunikationsstrategie der sächsischen Polizei.

Ein Polizeimotorrad steht auf einem Parkplatz. Die Transportbox ist offen. Ein Laptop steht darin. Im Hintergrund ist ein größerer Polizeiwagen zu erkennen.
Die vier Victory-Motorräder der Polizeidirektion Chemnitz können als Funkstreifenwagen auf zwei Rädern bezeichnet werden. Neben einem integrierten Laptop zur Abfrage von Fahndungen und zur Überprüfung der Lenk- und Ruhezeiten von Kraftfahrern ist auch Technik zum Erkennen von Drogen und gefälschten Dokumenten sowie zur Messung von Abgas- und Geräuschemissionen an Bord.  © Polizei Sachsen

Digitale Kommunikation stellt nicht zuletzt die Verkehrspolizei vor neue Aufgaben: Dank autonomen Fahrens und der Car-to-Car-Kommunikation werden künftig die Sicherung und Überwachung der digitalen Infrastruktur und ihr Schutz vor Manipulationen den Alltag der Beamtinnen und Beamten prägen … Richtungsweisende Ansätze für die Polizeiarbeit im digitalen Raum reichen in Sachsen von Forschungs- und Entwicklungskooperationen bis hin zur Denkfabrik.

Doch stößt die Polizei mit ihrer bisher tendenziell starren Organisation bei zunehmender Rasanz des gesellschaftlichen Wandels an Grenzen? Kurzlebige Kriminalitätsphänomene erfordern immer dynamischere Organisationsänderungen. Eine Lösung mit Zukunft? Polizeiarbeit mit flexiblen Hierarchien und multidisziplinären Teams.

Mit Sicherheit für die Demokratie

»Die Polizei hat als Trägerin des Gewaltmonopols in unserem demokratischen Rechtsstaat eine besondere Verantwortung dafür, dass vor allem sie selbst die Normen und Werte einhält, die sie zum Schutz der Bevölkerung zu vertreten hat. Mit Sicherheit steht sie für unsere demokratische Grundordnung. Das Vertrauen der Gesellschaft in ihre Polizei ist zu Recht groß. Die Polizei muss ein Interesse daran haben, dass dieses Vertrauen bestehen bleibt. Führung muss dazu beitragen, diejenigen zu stärken, die die Fahne unserer Demokratie hoch halten. Sie muss diejenigen entlarven, die unlautere Absichten verfolgen, egal ob es sich um radikale Einstellungen jedweder Art, gewaltverherrlichende oder sexistische Denkweisen handelt. Im Sinne einer selbstlernenden Organisation muss eine Fehlerkultur unverzichtbarer Bestandteil der Organisationskultur der Polizei werden.«

Leitender Polizeidirektor Thomas Model, Leiter der Akademie der Polizei Hamburg

 

Auch unter neuen, sich stetig verändernden Herausforderungen steht das bewährte Ziel: »Sachsen ist eines der sichersten Bundesländer«.

Dabei prägen die Strategie der Polizei Sachsen sechs Handlungsfelder:

  • sicheres Leben
  • Kriminalitätsbekämpfung
  • Cybercrime
  • Verkehrssicherheit
  • Prävention
  • Sicherstellung der polizeilichen Aufgabenerfüllung

Die kontinuierliche Fortschreibung der Strategie greift aktuelle Entwicklungen auf. Jederzeit kann auf unvorhergesehene Ereignisse oder politische und gesellschaftliche Impulse reagiert werden.

 

InnoLab – das Innovationslabor der Polizei Sachsen

Mit dem seit Januar 2020 arbeitenden InnoLab, konzipiert als Denkfabrik mit Laborcharakter, nimmt die sächsische Polizei eine Vorreiterposition im öffentlichen Dienst ein. Hier werden aus der Praxiserfahrung gespeiste Ideen von Polizeibeamtinnen und -beamten mit interdisziplinärer Spitzenforschung im Innovationscluster des Freistaates zusammengeführt. InnoLab analysiert Entwicklungen in den Bereichen moderne Arbeitsweisen und Technologien, überprüft diese hinsichtlich ihrer Relevanz und entwickelt in Kooperation mit einem Netzwerk aus Forschung, Wirtschaft und Politik zukunftsweisende Lösungen für polizeiliche Nutzeranforderungen – bis hin zur Stufe eines Prototypen.

Das Foto zeigt eine Frau, die ein Tablet hält. Die Tablet-Kamera nimmt eine Waffe auf, die vor dem Tablet liegt. Dieses Bild erscheint auf dem Tablet mit der Anzeige: »Glock17: 97.8 %«.
Beispieldarstellung der Funktionsweise des Projektes ARIZONA. (2021)  © Polizei Sachsen

Projekt ARIZONA

In Deutschland ist eine zunehmende Zahl von illegalen Waffen im Umlauf, welche zur Begehung schwerster Straftaten gegen Leib und Leben durch Kriminelle sowie gegen den Fortbestand des Staates – etwa durch extremistische und islamistische Gewalttäter – eingesetzt werden. Waffenkriminalität wird zumeist erst durch entsprechende Kontrollmaßnahmen der Sicherheitsbehörden festgestellt. Allerdings ist das menschliche Wahrnehmungs- und Erkennungsvermögen hierbei begrenzt. In Zukunft sollen Waffenbauteile bei einer Kontrolle per dienstlichem Smartphone über ein teilautomatisiertes, KI-gestütztes Verfahren treffsicher identifiziert und den Beamten eine konkrete Handlungsanleitung gemäß den Bestimmungen des Waffengesetzes zur Verfügung gestellt werden.

Projekt SAMURAI

Ziel des Projektes SAMURAI ist es, mithilfe einer autonom agierenden  Roboterplattform ein dreidimensionales und fotorealistisches virtuelles Abbild der Einsatzumgebung zu erzeugen. Neben der geometrischen Erfassung von Innen- wie Außenräumen werden auch andere relevante Parameter in einem digitalen Modell zusammengeführt und sowohl den Einsatzkräften als auch der Führung zur Vorabbeurteilung einer Lage bereitgestellt. Neben virtuellen Trainingsszenarien zum Schutz kritischer Infrastruktur oder der Simulation terroristischer Anschläge sind hier auch Modelle zur Lenkung sich aufstauender Menschenmengen – wie 2010 auf der Loveparade in Duisburg – denkbar.

Wie stellen Sie sich die Polizei der Zukunft vor?

E-Mail: wanderausstellung.innolab.pva@polizei.sachsen.de

 

Dauerthema mit Zukunft bleibt für die Polizei der Schutz der Demokratie gegen extremistische Gewalt – egal ob links, rechts oder vermeintlich religiös motiviert.

Synonym für einen bereits seit Jahrzehnten bestehenden Brennpunkt linksextremer Gewalt, die sich vor allem gegen den Staat und seine Vertreter richtet, ist der Leipziger Stadtteil Connewitz. Symbolträchtige Jahrestage wie der 13. Februar in Dresden sind seit langem Anlass für rechtsradikale Aufmärsche und mitunter folgende gewaltsame Auseinandersetzungen. Die Polizei steht hier regelmäßig zwischen den Extremen, um unbeteiligte Bürger, Gegenproteste, vor allem aber das demokratische Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu schützen. Für eine Zäsur in der Wahrnehmung von Extremismus steht die neonazistische terroristische Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Ein auch dadurch gewachsenes polizeiinternes Problembewusstsein führte in Sachsen zu neuen Schwerpunkten in der polizeilichen Aus- und Weiterbildung.

Die globalen Umbrüche der jüngeren Vergangenheit spiegeln sich in islamistischen, aber auch antisemitischen Gewalttaten. Es kommt jedoch ebenso zu einer breiteren Radikalisierung der Gesellschaft – von den Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes (»Pegida«) bis hin zur »Querdenken-Bewegung«. Ihre Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen erreichen selbst sächsische Kleinstädte – mit teils äußerst aggressiven Teilnehmern bis hin zu gewaltbereiten Extremisten.

In Zwönitz werden bei einer Versammlung von Corona-Leugnern acht Polizisten verletzt. Während der nicht angemeldeten Demonstration von circa 200 Menschen am Abend des 10. Mai 2021 kommt es zu Angriffen auf Polizisten und Pressevertreter. Die Stimmung hat sich vor allem durch verbale Drohungen der zahlreichen Umstehenden aufgeheizt. Corona-Auflagen werden nicht eingehalten. Bereits an den Montagen davor war es bei Demonstrationen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmenden und der Polizei gekommen. Der Stadtrat der erzgebirgischen Kleinstadt stellt sich auf die Seite der Demonstranten. Im Mai 2021 liegt die Inzidenz in der Region bei über 400 auf 100.000 Einwohner.

 
Vier Polizisten in Uniform – zwei aus Sachsen, zwei aus Tschechien – laufen über einen Marktplatz. Drei von ihnen besprechen sich dabei. Im Hintergrund sind andere Besucher des Marktes und verschiedene angebotene Waren zu sehen.
Sächsische Beamte des Polizeistandortes Schwarzenberg bestreifen gemeinsam mit tschechischen Kollegen des Standortes in Pernink einen grenznahen Markt bei Johanngeorgenstadt, um die Stände auf nicht genehmigte Plagiate zu kontrollieren. (10. August 2017)  © Polizei Sachsen

Noch immer liegt an der Grenze Sachsens zu Polen und Tschechien ein Wohlstandsgefälle vor – einer der wesentlichen Gründe für das Bestehen einer markanten allgemeinen Kriminalität im Grenzgebiet. Dem entgegen wirkt eine intensive grenzübergreifende Kooperation der Sicherheitsbehörden in Prävention und Kriminalitätsbekämpfung.

So beginnt beispielsweise Mitte November 2019 die Soko Argus in der Polizeidirektion Görlitz ihre Arbeit zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Bilanz nach einem halben Jahr: eine Aufklärungsquote im Bereich Eigentumsdelikte von 50 %.

 

Ein Schwerpunkt der grenzübergreifenden Ermittlungen ist die Rauschgiftkriminalität. Von 1993 bis 2010 existiert eine Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift im Freistaat Sachsen (GER Sachsen), ab 2010 fokussiert auf den Regierungsbezirk Leipzig (GER Westsachsen) sowie die Regierungsbezirke Dresden und Chemnitz (GER Ostsachsen).

Ein nach wie vor bedeutendes Phänomen der Rauschgiftkriminalität ist die synthetische Droge »Crystal«. Geringe Mengen werden in Sachsen erstmals 1999 sichergestellt. Das Landeskriminalamt und die GER Sachsen gründen 2000 die Arbeitsgemeinschaft »Crystal« – gemeinsam mit tschechischen und bayerischen Kollegen. Ein erstes Lagebild führt zu der Prognose, dass »Crystal« zunehmend an Bedeutung gewinnt und zum gesamtgesellschaftlichen Problem werden könnte. 2010 hat sich diese Prognose vollumfänglich bestätigt bzw. ist übertroffen. Das Sächsische Staatsministerium des Innern stellt daraufhin einen Zehn-Punkte-Plan auf, denn »Crystal« entwickelt sich zur »Drogenart Nr. eins« in Sachsen. Auch angrenzende Bundesländer werden – teils von sächsischen Kurieren – mit der Droge aus Tschechien »überschwemmt«.

 
In einem Unterrichtsraum in Masar-e Scharif sitzen mehrere Männer an Bänken und schauen zu einer Gruppe von Personen vor einer Tafel. Auch ein sächsischer Polizist in heller Uniform steht vorne.
Theorieunterricht in Masar-e Scharif. (2013)  © Polizei Sachsen

Sachsens Polizei engagiert sich auch international. Beginnend 1996 beteiligt sich der Freistaat beispielsweise an Missionen in Bosnien-Herzegowina, Albanien, Ostslawonien oder mit 15 Polizeibediensteten aus allen Laufbahngruppen an einer »law enforcement«-Mission der UNO (UNCIVPOL) im Kosovo. Ebenso waren sächsische Polizeiangehörige zeitweise in Afghanistan aktiv, in Georgien oder auf dem afrikanischen Kontinent, um dort z. B. den Aufbau einer demokratischen Polizei zu unterstützen. Der Einsatz von Beamtinnen und Beamten erfolgt stets freiwillig. Die Polizei Sachsen beschreibt zudem in der Konzeption »Polizeiauslandsmissionen«, wie Personalauswahl und -betreuung vor, während und nach dem Einsatz, welcher von traumatischen Erlebnissen begleitet sein kann, zu erfolgen haben.

 
Der Foto-Schnappschuss zeigt die Sperranlage zum Gazastreifen. Auf der grauen Mauer sind bunte Zeichnungen. Unter anderem sieht man eine Friedenstaube und den Schriftzug »Path to peace«.
Die Reise der Hochschuldelegation der sächsischen Polizei führte auch an die Sperranlage zum Gazastreifen. (2016)  © Polizei Sachsen

Bereits seit über zehn Jahren engagiert sich die Polizei Sachsen in einem gemeinsamen Projekt mit dem »Kinder- und Jugend-Aliyah e.V.«. Israelische Jugendliche, die schulbegleitend eine Grundausbildung im Polizeiberuf absolvieren, besuchen regelmäßig Sachsen und informieren sich über die Organisation, die Aufgaben und die Ausbildung der Polizei Sachsen. Studierende der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) wiederum reisen nach Israel und lernen die dortigen Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen der Sicherheitskräfte kennen. Über den fachlichen Austausch hinaus ermöglicht das Programm den gegenseitigen Perspektivwechsel und stärkt das Bewusstsein für die historische Verantwortung Deutschlands.

 

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Wissenswertes zur Polizeihistorischen Sammlung Sachsen

Das historische Bild zeigt den Blick in einen Raum des damaligen Kriminalmuseums mit vielen Ausstellungsstücken. Auf Beschriftungen an Vitrinen ist unter anderem zu lesen: »Urkundenfälschung«, »Betrug«.
© Polizeihistorische Sammlung Sachsen

Bereits 1894 wird in Dresden ein Kriminalmuseum zur »Belehrung« der Beamten gegründet – das Museum diente auch der Ausbildung von Kriminalbeamten. Die verbliebenen Relikte des einst weltbekannten Kriminalmuseums sind inzwischen Teil der Polizeihistorischen Sammlung Sachsen. Diese soll sich in den nächsten Jahren zu einem modernen Bildungs- und Kommunikationsort entwickeln.

Zum ersten Thema der Online-Ausstellung

1989: Keine Gewalt! Wir sind das Volk! Und die Volkspolizei?

Auf der historischen Abbildung in schwarz-weiß ist ein Streifenwagen der Leipziger Volkspolizei zu sehen. Um ihn herum stehen mehrere Menschen. Drei Personen nutzen das Auto als Schreibunterlage.
© Bundesarchiv, Bild 183-1989-1110-039 / Fotograf: Wolfgang Kluge

Friedensgebete wachsen zu friedlichen Demonstrationen. Erste Grenzen der sozialistischen Staatengemeinschaft fallen. Damit kommt auch die DDR samt Volkspolizei an ihre politischen Grenzen. Die Staatsmacht reagiert immer härter. Die Lage eskaliert.

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